Der ökologische Fußabdruck des Weihnachtsbaums

Forschung im Fokus Dezember 2011

Der ökologische Fußabdruck des Weihnachtsbaums
Der ökologische Fußabdruck des Weihnachtsbaums.

Nichts symbolisiert in der westlichen Welt die Weihnachtsfeiertage mehr als der Weihnachtsbaum. Geschmückt mit Kugeln und Kerzen ist er in vielen Haushalten fester Bestandteil der festlichen Stimmung. Doch haben Sie sich beim Betrachten Ihres fertig geschmückten Weihnachtsbaumes jemals gefragt, wie der sogenannte ökologische Fußabdruck Ihrer Festtagstanne aussieht? Welche ökologische, ökonomische, technische und soziale Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft es hat, dass der Weihnachtsbaum in Ihrem Wohnzimmer steht? Genau das erforscht die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP bei Produkten, Verfahren und Dienstleistungen über ihren gesamten Lebensweg.

Doch keine Angst, mit ihrer Arbeit wollen Ihnen die Forscher nicht die Freude an Weihnachten verderben. »Der Weihnachtsbaum eignet sich besonders in dieser Jahreszeit als gutes Beispiel zur Erklärung, was hinter unserer Arbeit steckt. Im Normallfall sind beispielsweise Bau- und Werkstoffe sowie deren Verarbeitungsweisen die Grundlage unserer Forschung. Wir wollen dazu beitragen, dass sich Menschen bewusster für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen entscheiden und deren Anbieter diese so optimieren, dass ihre Bilanz auf sämtlichen Ebenen zufriedenstellend ist«, erklärt Matthias Fischer, Leiter der Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung am Fraunhofer IBP. Eine Methode, um den ökologischen, ökonomischen, technischen und sozialen Einfluss eines Produktes – wie in diesem Fall des Weihnachtsbaums – abzubilden, ist die Ökobilanzierung.
Dazu wird zunächst die Gesamtheit dessen erfasst, was einen Weihnachtsbaum ausmacht: »Da ist natürlich zum einen der Baum selbst, hinzu kommen Kugeln und Kerzen als Dekoration, der Ständer, eventuell das Wasser, mit dem man diesen befüllt, etc.

All das wird in die Berechnung aufgenommen«, schildert Matthias Fischer die Grundlagen der relevanten Datenerhebung. In die Ökobilanz fließen zudem die verschiedenen Phasen ein, die all diese Einzelteile durchlaufen. Jedes Produkt hat eine Vorgeschichte. »Zunächst schauen wir uns an, woher welches Produkt kommt, wie es verarbeitet und transportiert wurde, um es ins weihnachtliche Wohnzimmer zu bringen.«
Der Baum beispielsweise wurde gepflanzt, ist dank Sonneneinstrahlung, Wasser und Nährstoffen aus dem Boden gewachsen, wurde dann gefällt und ist mittels Lastwagen zu uns transportiert worden. Auch die Kerzen wurden produziert, dazu hat man Rohstoffe und Energie benötigt. Bei all diesen Einzelschritten entstehen immer Emissionen, Abwasser, Abfälle und so weiter. All das sind wichtige Posten in der Ökobilanz. Anschließend kommt die Nutzungsphase. »Bei einem Weihnachtsbaum liegt diese im Schnitt bei etwa zwei Wochen«, so Matthias Fischer. Dabei fließen viele unterschiedliche Aspekte in die Berechnungen der Forscher hinein: zum Bespiel wie oft die Kerzen angezündet und deswegen ausgetauscht werden müssen oder ob der Baum gegossen wird; bis schließlich die Verwertungsphase ansteht. Die Kugeln kommen zurück in ihre Schachteln, um im nächsten Jahr wieder verwendet zu werden. Das Holz des Baumes wird im besten Fall weiter verarbeitet, um möglichst sein vollständiges Potenzial auszunutzen. Dazu kann es beispielsweise als Wärme- bzw. Energielieferant genutzt werden. Doch Vorsicht: »Man darf einen Weihnachtsbaum nicht einfach so verheizen«, warnt Matthias Fischer. »Es gibt Verbrennungsverordnungen, die regeln, wie lange Holz vor dem Verbrennen gelagert und getrocknet werden muss, um die Emissionen möglichst gering zu halten.«
Nimmt man all diese Aspekte zusammen, kann eine Ökobilanz erstellt und somit die Nachhaltigkeit eines Produkts, wie des Weihnachtsbaums, sowie seine Verwendung beurteilt werden. Um diese Arbeit zu erleichtern, haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IBP die Software GaBi mitentwickelt. Hiermit lassen sich komplexe Systemmodelle abbilden und nach verschiedenen Kriterien, zum Beispiel der Umweltwirkungen oder Lebenszykluskosten eines Produktsystems auswerten. Auf diese Weise kann man unter anderem den Kosten-Nutzen-Faktor bestimmen. »Der Weihnachtsbaum allein schneidet gar nicht so schlecht ab. Dabei darf man aber sicherlich nicht nur auf die ökologischen Aspekte schauen, sondern muss auch den Wohlfühlfaktor und das Erlebnis Weihnachten mit einbeziehen, denn diese wiegen sicherlich genauso schwer«, erklärt Matthias Fischer und stellt zugleich die Frage in den Raum: »Was wäre schon Weihnachten ohne Weihnachtsbaum?«

Die Ganzheitliche Bilanzierung mit all ihren Aspekten und Methoden kann durchaus als ein wesentliches Element zukünftigen Handelns in zahlreichen Branchen gesehen werden. »Man soll sich bewusst werden darüber, woher Produkte kommen und wie sich menschliches Verhalten im Umgang mit ihnen auswirkt. Eine der grundlegenden Fragen ist: Wie komme ich – ohne mich einschränken zu müssen – zur Befriedigung meiner Bedürfnisse? Unter diesem Gesichtspunkt sollten Hersteller Produkte von vornherein vorteilhafter entwickeln und produzieren.« Die Ökobilanz hilft beispielsweise dabei zu entscheiden, welche Konzepte oder Produkte unter bestimmten Bedingungen am besten zum Einsatz kommen sollten, wo sich Schwachstellen befinden und wie man diese so eliminiert, dass sie erst gar nicht mehr auftreten. Matthias Fischer erklärt: »Es geht darum, Probleme nicht erst zu schaffen und sie dann aufwendig zu beheben. Vielmehr sollte man sich vorher überlegen, wo Probleme entstehen könnten und diese von vornherein vermeiden. Das Motto lautet: Die beste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird.«
(ate)

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