Präventive Konservierung – ein Ansatz für Sammlungen in historischen Gebäuden und Museen

Die Präventive Konservierung ist ein Ansatz für die dauerhafte Erhaltung von Kunst und Kulturgut. Sie zielt darauf ab, Umgebungsbedingungen generell zu verbessern, um Schäden an Kunstwerken, Ausstattung und historischen Gebäuden zu vermeiden, ohne direkt am Objekt eingreifen zu müssen. Neben einer umfassenden Analyse von Gebäuden und Sammlungen erstellen die Experten des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP individuelle Risikobewertungen, die die Grundlage für die Entwicklung von Konzepten zur dauerhaften Konservierung und Erhaltung von Kulturgütern bilden.

Ganzheitliche Betrachtung des Raumklimas

Das Raumklima in historischen Gebäuden ist für die Erhaltung von Ausstattung und Sammlungen von zentralem Interesse, denn durch ungünstiges Klima – z.B. durch zu hohe relative Luftfeuchte oder starke Klimaschwankungen – werden Kunstwerke Schritt für Schritt zerstört. Hier müssen jedoch neben der Konservierung  auch Fragen des Besucherkomforts oder der Energieeffizienz etwa von Klimatisierungsstrategien mit betrachtet werden.

Grundlage für die Entwicklung klimatischer Konzepte für historische Räume ist die eingehende Analyse von Gebäude, Sammlung, internen wie externen Einflüssen und der Wechselwirkungen aller Parameter untereinander.

Dazu werden verschiedene Aspekte messtechnisch untersucht wie:

  • Temperatur und relative Feuchte
  • lokale Temperaturverteilung durch Thermografie
  • lokale Mikroklimata
  • Luftwechselrate
  • Luftgeschwindigkeit
  • CO2-Konzentration
  • Luftqualität in Innenräumen mit Luftqualitätssensorik
  • Schadstoff-Analytik (Besucherräume, Archive, Lager, Vitrinen etc.)
  • Außenklima

Diese Parameter dienen zusammen mit der Dokumentation der historischen Materialien, Techniken und Erhaltung als Grundlage für eine individuelle Risikobewertung und die Erarbeitung von Konzepten für die Präventive Konservierung.

Klimakonzepte

Aufbauend auf der Bestandsanalyse erarbeiten die Wissenschaftler des Fraunhofer IBP in enger Abstimmung mit allen relevanten Beteiligten – Nutzer, Verwaltung, Bauämter, Bauherren, Architektur und Haustechnik-Planungsbüros – passende Konzepte für die Verbesserung des Raumklimas in historischen Gebäuden und Museen. Dabei steht die Präventive Konservierung, also die dauerhafte Erhaltung der Kunst, im Mittelpunkt. Diese ist aber immer auch verknüpft mit Fragen des Bautenschutzes, der Energieeffizienz, des Komforts für Besucher und Nutzer wie auch generellen Fragen zur Umsetzbarkeit von Maßnahmen (Wirtschaftlichkeit, zerstörender Eingriff in die Bausubstanz eines Denkmals etc.). Um zu einem bestmöglichen Ergebnis in der Sanierung oder auch beim Neubau zu gelangen, ist eine integrale, moderierte Planung erforderlich.

Schloss Linderhof
© Bayerische Schlösserverwaltung
Schloss Linderhof

Risikobewertung für Kunstwerke

Für den langfristigen Erhalt der Exponate ist das richtige Klima essentiell. Einflussfaktoren für Alterung und Zerfall von Ausstellungsstücken sind Temperatur, Feuchte sowie Licht und Luftschadstoffe, aber auch Schimmelpilze und Mikroorganismen. Auf der Basis von Schadensfunktionen können Risiken für individuelle Kunstwerke bewertet werden.

Die Dokumentation von Schadensprozessen über Mikro-Monitoring durch bildgebende Verfahren (Streifenlicht-Scanner, hochauflösende Makro-Fotographie etc.) spielt hierbei eine wesentliche Rolle, da jedes Kunstwerk ein Unikat ist, mit unterschiedlichen Materialien, einer individuellen Vorgeschichte und einem individuellen Mikroklima, das direkt am Werk bewertet werden muss. Auch weiterführende Fragen zum Zustand der Gebäudehülle und zur Objektsicherheit sind wichtig, weshalb hier allein ein ganzheitlicher Ansatz zielführend ist.

Risikobewertung für ein Innenraumklima
© Fraunhofer IBP
Risikobewertung für ein Innenraumklima

Raumklimasimulation historischer Gebäude

Mit der hygrothermischen Simulations-Software WUFI® Plus ist es möglich, das Raumklima und verschiedene Klimatisierungsstrategien in historischen Gebäuden vorab zu simulieren. Klimatische Vorgänge werden damit nachvollziehbar und Auswirkungen von passiven oder aktiven Maßnahmen können im Hinblick auf Nutzen, Risiken und Energiebedarf eingeschätzt werden.

Als Eingabedaten werden die Geometrie des Gebäudes, sein konstruktiver Aufbau, die Materialkennwerte sowie das Außenklima und weitere Einflussgrößen wie Luftwechselrate, Klimatisierung und Besucherzahlen benötigt.

Um sicherzustellen, dass ein Innenraumklima auch korrekt simuliert wird und relevante Schadensprozesse und andere wichtige Charakteristika richtig abgebildet werden, wird das Simulationsmodell anhand von gemessenen Klimadaten kalibriert.

Mit einem kalibrierten Simulationsmodell kann die Wirkung von passiven und aktiven Maßnahmen optimal simuliert und bewertet werden.

Raumklimatisches Simulationsmodell der Torhalle Lorsch
© Fraunhofer IBP
Raumklimatisches Simulationsmodell der Torhalle Lorsch

Kompetenzen

  • Konservatorische Bewertung von historischen Gebäuden und deren Ausstattung
  • Zustandsanalyse und Schadensdokumentation von Kunstwerken
  • Monitoring von Raumklima, Mikroklimata und Außenklima (Temperatur, relative Luftfeuchte, absolute Feuchte,
    Taupunktunterschreitung, CO2-Messung, mobile Wetterstation etc.)
  • Risikoabschätzung von Klimadaten
  • Bewertung des Korrosionsrisikos von Metallen
  • Bewertung des Schimmelpilzrisikos und weiterer Einflüsse

Methoden

  • Bestimmung der Luftwechselrate durch Blower-Door-Messung, CO2-Messung und passives Tracer-Gas-Verfahren
  • Hochauflösende Thermografie
  • Chemische Materialanalyse
  • Bestimmung und Klassifizierung von Materialien biologischer Herkunft (z. B. Hölzer, Fasern)
  • Isoplethenbestimmung musealer Materialien zur Verbesserung der Einschätzung spezieller klimatischer Empfindlichkeiten
    bzw. mikrobiologischer Anfälligkeit
  • Bestimmung der thermischen und hygrischen Eigenschaften historischer Materialien
  • Bauteilsimulation mit WUFI® 1D und 2D und hygrothermisches Gebäudemodell WUFI® Plus
  • Feuchtemessungen im Bauteil
  • Schadstoff- und Partikelmessung
  • Salzbestimmung
  • Bestimmung und Bewertung von mikrobiellem Bewuchs
  • Messwerterfassung mit der internen web-basierten Datenbank IMEDASTM
  • Chemische Raumluftanalytik / Materialausgasung
  • Restauratorische Untersuchungen

Projekte

 

Projekt

Climate for Culture

Im Rahmen des EU-Projektes Climate for Culture, das von 2009 bis 2014 lief, wurden unter Leitung des Fraunhofer IBP mögliche Auswirkungen des globalen Klimawandels auf das Kulturerbe erforscht. Dabei wurden auch unterschiedliche Simulationswerkzeuge auf ihre Anwendbarkeit für historische Gebäude untersucht und gegenübergestellt.

 

Projekt

Kulturreise durch Raum und Zeit

Der Klimawandel gefährdet jahrhundertealte Wandmalereien, Gemälde, Möbel und Textilien. Lässt sich der Verfall stoppen? Im EU-Projekt »Climate for Culture« suchen Forscher nach Lösungen.

 

Projekt

Lüftungsanlage Schloss Linderhof

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Schlösserverwaltung wurde der Einbau einer innovativen Lüftungsanlage für Schloss Linderhof konzipiert. Die Auswirkung auf das Raumklima und die historische Ausstattung werden durch detailliertes Monitoring im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt DBU geförderten Projektes erforscht.