Vom Flugzeug die Nase voll? - STELLA sagt unangenehmen Gerüchen im Flugzeug den Kampf an

Forschung im Fokus März 2013

Schlechte Gerüche im Flugzeug – ein Szenario, das jeder Fluggast bereits in der einen oder anderen Form erlebt hat. Im schlimmsten Fall spielt es sich folgendermaßen ab: Gerade macht man es sich auf seinem Sitz gemütlich, da kämpft einige Reihen weiter vorne bereits eine schwere Parfumwolke gegen den Luftschwall aus dem WC. Diesem vorbeiziehenden Geruchsmix begegnet der Passagier am besten mit flacher Atmung und der Hoffnung, dass die Lüftung möglichst bald auf Hochtouren läuft. Während des Fluges mischen sich noch Essensgerüche und menschliche Ausdünstungen unter die Flugzeugluft. »Das muss nicht sein!«, versichert Dr. Andrea Burdack-Freitag, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Sensorik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Gemeinsam mit ihren Forschungspartnern sagt sie im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Projekts den unangenehmen Gerüchen im Flugzeug den Kampf an.

Derzeit kommt in Flugzeugen ein Kompromiss zum Einsatz, um Passagiere und Crew mit Luft zu versorgen. Er besteht aus erwärmter, energieintensiver Frischluftzufuhr und energiesparendem Umluftbetrieb. Damit werden sogenannte Geruchsspitzen eingefangen. Allerdings gibt es bisher keine technische Lösung, die flexibel und direkt auf derartige Einzelgeruchsereignisse reagieren kann. Somit wird, beispielsweise bei geringer Geruchsbelästigung, der Anteil an Frischluftzufuhr zu hoch gefahren, was wiederum unnötig hohe Aufheizenergie verbraucht.

»Systeme und Technologien für das Energiemanagement in leistungsoptimierten Luftfahrzeugarchitekturen« – kurz STELLA, wird vom BMWi als ein Teil des Luftfahrtforschungsprogrammes IV mit 934.000 Euro gefördert. Die Projektbeteiligten erhoffen sich ein besseres Verständnis der Energieströme im Druckrumpf, sodass die Forschungsergebnisse schließlich zu einem optimierten Energiemanagement sowie verbesserter Kabinenluft im Flugzeug führen. Am Projekt sind neben dem Fraunhofer IBP auch die Abteilung Sensors, Electronics & Systems Integration von EADS, die RWTH Aachen (E.ON Energy Research Center) und die AppliedSensor GmbH, ein Hersteller für Luftqualitätssensoren zum Betrieb von Lüftungsanlagen, beteiligt.
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurden nun im Fluglabor (Flight-Test-Facility, kurz FTF) auf dem Gelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen verschiedene Luftqualitätssensoren – sowohl im Labor unter definierten Bedingungen, als auch an Probanden unter realen Flugbedingungen getestet. In einem simulierten Mittelstreckenflug mit Insassen sollten die Signale verschiedener Luftqualitätssensoren unter Einfluss der realen Kabinenbedingungen, also niedrige Feuchte, niedriger Luftdruck und konstante Temperatur, parallel zu verschiedenen Flugphasen aufgezeichnet sowie die Luftqualität von den Testpersonen evaluiert werden. Die beim Testflug eingesetzten Sensoren haben die Forscher im Vorfeld im Labor spezifiziert und darüber hinaus auch deren Eignung für typische Luft verunreinigende Stoffe überprüft. »Wir haben für den Versuch IR-Sensoren verwendet, die Kohlendioxid, Stickoxide und Ozon aufzeichnen sowie Metalloxid-Halbleiter, die auf anthropogene Emissionen wie beispielsweise Atemluftkomponenten, Flatus oder den Verzehr von Speisen und Getränken, reagieren«, erklärt Burdack-Freitag.
Die Wissenschaftler untergliederten den Flug dabei in die typischen Phasen mit induzierten geruchsaktiven Ereignissen. Die Probanden begannen mit dem Besteigen des leeren Fliegers, erlebten die simulierte Climbing- und Cruisingphase (ohne Aktivität) wurden mit Mittagessen, geruchsintensiven Getränken (Wein und Bier) sowie Kaffee versorgt, gingen über in die Descentphase und verließen das Flugzeug. Während jeder Phase bewerteten die Testpersonen die Geruchsintensität anhand einer definierten Geruchswerteskala. Allerdings schickte man die Versuchspersonen nicht unvorbereitet auf den Flug. Bereits im Vorfeld hatte man die Probanden mit den Intensitätswerten vertraut gemacht. An einem Gerät konnten sie sich quasi einen Anhaltswert »erriechen«, anhand diesem die Geruchsintensitäten in der Flugzeugkabine dann bewertet wurden. »Dieses Gerät haben wir hier am Fraunhofer IBP speziell für die sensorische Schulung der Probanden entwickelt. Es entspricht dabei den normativen Vorgaben für die Bewertung der Luftqualität«, erläutert die Forscherin. Die Geruchswerteskala misst Werte zwischen null und 16 π, wobei 8 π einer leicht abgestandenen Büroluft entsprechen. Außerdem wurde die sogenannte Hedonik der jeweiligen Phase bewertet, das heißt konkret, wie angenehm oder unangenehm die Luft- und Geruchsqualitäten von jedem Einzelnen empfunden wurden.
»In dem Versuch stellte sich heraus, dass die Sensorsignale und die Probandenevaluation deutlich miteinander korrelierten«, resümiert Burdack-Freitag. Die Phasen mit der höchsten Geruchsintensität waren erwartungsgemäß die Essenszeiten sowie das Ausschenken des Kaffees. Diese Ereignisse spiegelten sich auch deutlich in den Sensorsignalen wieder. Die Sensoren sind demnach geeignet, spezifische Geruchsereignisse aufzuzeichnen und zu übertragen. Eine Lüftungsanlage könnte somit auf die Geruchsspitzen unmittelbar reagieren. Das STELLA-Projekt läuft noch bis September 2013 – und auch, wenn es bis zur Marktreife derart intelligenter Lüftungsanlagen noch einige Zeit dauern wird, bleibt uns Flugpassagieren doch die Aussicht, künftig mit einer freien Nase am Reiseziel zu landen.
(taf)

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