In der Luft schmeckt alles anders – die Auswirkungen auf das Geschmackserlebnis in der Flugzeugkabine

Forschung im Fokus Oktober 2011

Ob es auch so gut schmeckt wie es riecht? Schlemmen für die Forschung lautete vor kurzem das Motto im weltweit einzigartigen Fluglabor des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) in Holzkirchen. Im Auftrag der Deutschen Lufthansa AG wurden bereits zum sechsten Mal Bordmenüs für die Fluglinie getestet. Nach zunächst grundlegenderen Untersuchungen in den Jahren zuvor ging es dieses Mal um den »Feinschliff« mit speziellen Essenzen und Ölen. Denn, nach wie vor gilt, in der Luft schmeckt alles etwas anders. »Essen und Getränke werden so wahrgenommen, als wäre man verschnupft«, beschreibt Aroma-Chemikerin Dr. Andrea Burdack-Freitag die Auswirkungen auf das Geschmackserlebnis unter Niederdruckverhältnissen in der Flugzeugkabine.

Viel Arbeit steckt in der Vorbereitung der Geschmackstests in der Niederdruckröhre des Fraunhofer IBP. »Für einen Versuchstag im Fluglabor sind wir mindestens 14 Tage mit der Vorbereitung beschäftigt«, so Burdack-Freitag. Von der richtigen Strukturierung des Versuchsablaufs, über die Vorbereitung der Fragebögen für die Probanden und die Anlieferung sowie den einwandfreien Einsatz der Öfen an Bord bis hin zur technischen Vorbereitung für den Flug muss alles organisiert sein. Am Versuchstag selbst sind dann rund zehn Mitarbeiter des Fraunhofer IBP damit beschäftigt dafür zu sorgen, dass alles reibungslos abläuft. So sitzen mindestens drei »Piloten« im Cockpit, das sich in diesem Fall außerhalb der Niederdruckröhre befindet, und kümmern sich im Leitstand um einen Flug ohne Turbulenzen. Im Fluglabor selbst sind neben den Köchen der LSG Sky Chefs nochmals etwa sechs IBP-Mitarbeiter im Einsatz: sie verteilen Fragebögen, geben Sicherheitseinweisungen, teilen Essen und Getränke an die Probanden aus und überwachen den korrekten Ablauf der Versuchsreihen.

Bei diesem inzwischen sechsten Einsatz im Fluglabor mit der Lufthansa AG und ihrem Tochterunternehmen LSG Sky Chefs wurden Menüs getestet, die zuvor bereits am Boden für »flugtauglich« befunden wurden. Die Ergebnisse vorheriger Untersuchungen aus der umfangreichen Testreihe hatten ergeben, dass Salz 20 bis 30 Prozent und Zucker 15 bis 20 Prozent weniger intensiv empfunden werden. Dagegen bleibt die Wahrnehmung von fruchtigen Aromen und Säuren stabiler. Aus diesem Grund bleiben beispielsweise asiatische Gerichte, die ohnehin sehr intensiv im Aroma sind, bei Niederdruck stabil im Geschmack. Mildere Speisen wie Fisch oder Geflügel bedürfen hingegen einer deutlich intensiveren Würzung durch Salz und Kräuter. Diese Erkenntnisse haben die Köche der LSG Sky Chefs in ihren Kreationen umgesetzt und servierten dieses Mal je drei Varianten eines Menüs: eine geschmacklich neutrale und zwei stärker gewürzte. Zum Einsatz kamen unter anderem diverse Würzöle, wie zum Beispiel Kaffeeöl, sowie Tomatenessenzen als natürliche Geschmacksverstärker. Richtig dosiert unterstützen Würzöle das Aroma von Speisen, während Tomatenessenzen zu einem harmonischen Geschmackserlebnis beitragen können.
»Dennoch«, so erklärt die Fraunhofer-Wissenschaftlerin, Burdack-Freitag, »sind die Ergebnisse solcher Versuche sehr individuell«. Man könne nicht allen Geschmäckern gerecht werden. Deshalb müssten die Ergebnisse der statistischen Auswertung letztlich in der Kreation neuer Menüvariationen dem so genannten Mainstream angepasst werden. Die Lufthansa AG ist derzeit dabei, die Ergebnisse der umfangreichen Versuchsreihe bei der Zubereitung ihrer Bordverpflegung umzusetzen.

Hintergrundinformation:
Warum Menschen Gerüche und Geschmäcker in der Luft anders wahrnehmen als am Boden hat verschiedene Gründe. Einerseits wirken die Niederdruckverhältnisse in der Luft sich auf den menschlichen Körper aus: die Sauerstoffsättigung im Blut wird verringert, somit vermindert sich auch die Leistungsfähigkeit der Riech- und Geschmacksrezeptoren. Zum anderen wirkt sich das Fliegen auf die psychologische Wahrnehmung aus. »Wenn die Umgebung anders ist, verändert sich auch die Wahrnehmung«, beschreibt Dr. Andrea Burdack-Freitag. In der ungewohnten Kabinenumgebung ist die Reizgrundbelastung höher und die Aufmerksamkeit für Einzelheiten lässt nach. Damit liegen auch die Reizschwellen höher, sodass zur Auslösung ein stärkerer Reiz notwendig ist.

Das Fluglabor am Fraunhofer IBP besteht aus einer Unterdruckkammer, in die ein 16 Meter langes Teilstück eines Airbus A310-200 eingehängt ist. Die Inneneinrichtung entspricht nahezu dem Serienflugzeug und vermittelt den Probanden so einen authentischen Eindruck, während die Umgebungsparameter verändert werden können: Luftdruck, Kabinenaußenwandtemperatur, relative Feuchte, Geräuschpegel, Vibration, Licht, Luftzirkulation und vieles mehr. Somit kann im Fluglabor des Fraunhofer IBP eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt werden, neben den Geschmackstest zum Beispiel zum Raumklima.
(ate)

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