Pilze mit Appetit auf Holz

Forschung im Fokus August 2015

Er kommt schleichend und unbemerkt. Über Monate, manchmal sogar Jahre kann er sich klammheimlich ausbreiten. Lässt man ihn ungestört wachsen und sich verteilen, zeigt er entschieden seine volle Zerstörungskraft. Sein Name mag harmlos klingen, doch ist er für Betroffene und Fachleute ein wahrer Alptraum. Der Echte Hausschwamm (Serpula lacrymans – frei übersetzt bedeutet das »die tränende Seuche«) gilt in Mittel- und Nordeuropa als der gefährlichste holzzerstörende Pilz. Anders als Schimmelpilze, die an der Oberfläche wachsen und so schnell ins Auge stechen, bleiben holzzerstörende Pilze zunächst im Verborgenen. Ihre Hyphen (Pilzfäden) dringen tief ins Holz ein und gedeihen dort – das passende Klima vorausgesetzt – fürs Erste unbeachtet. Auf diese Weise können sie ganz unbemerkt verheerenden Schaden anrichten und die Konstruktionen so massiv schädigen, dass Gebäuden im schlimmsten Fall sogar der Einsturz droht. Der Echte Hausschwamm frisst sich bei Bedarf selbst durch Ziegelmauern und Beton. Außerdem ist er ziemlich zäh, denn er überlebt auch lange Jahre im Trockenen. Sobald seine Feuchtigkeitszufuhr wieder aktiviert wird, kann er sein zerstörerisches Werk problemlos wieder aufnehmen. Diese besonderen Eigenschaften besitzen seine holzzersetzenden Kollegen glücklicherweise nicht in diesem Ausmaß, doch sind auch sie keine willkommenen Hausgäste.

Das entscheidende Stichwort bei allen holzzerstörenden Pilzen heißt jedoch »passendes Klima«. Wie alle Organismen, ob groß oder klein, brauchen auch holzzerstörende Pilze, um zu wachsen, eine Umgebung, in der sie sich wohl fühlen. Wie diese Randbedingungen aussehen, erforschen derzeit intensiv Dr. Wolfgang Hofbauer, Leiter der Arbeitsgruppe Biologie am Bau am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, und sein Team.
»Wir konzentrieren uns dabei nicht nur auf den Echten Hausschwamm, schließlich gibt es rund 200 unterschiedliche gebäuderelevante holzzerstörende Pilzspezies. Allerdings kann man sich auf einige sogenannte Leitpilze beschränken, zu denen in Deutschland neben dem Echten Hausschwamm auch der Kellerschwamm (Coniophora puteana), der Hausporling (Donkioporia expansa) und der Weiße Porenschwamm (Antrodia sinuosa) gehören«, erläutert der Wissenschaftler. Ziel der Forscher ist es Grundlagen zu schaffen, die in ein Prognosewerkzeug einfließen, mit dessen Hilfe die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von holzzerstörenden Pilzen vorausgesagt werden kann. Gleichzeitig lässt sich durch diese Arbeit die Norm für Holzschutz DIN 68800 weiter konkretisieren. Hand in Hand damit könnte der unnötige Einsatz von Holzschutzmitteln weiter reduziert werden.
Holzzerstörende Pilze, wie der Echte Hausschwamm, betreffen Alt- und Neubauten gleichermaßen. »Pilze wachsen überall dort, wo sie genügend Feuchtigkeit vorfinden«, erläutert Hofbauer. Sie wachsen zum Beispiel in Kellern alter Häuser, die keine Feuchtesperre im Bodenbereich haben. Aber auch bei neueren Gebäuden sind einige Konstruktionen aus Holz, vor allem im Dachbereich (Holzbalkenköpfe), verstärkt der Feuchtigkeit ausgesetzt, zum Beispiel durch Schlagregen oder aufgrund von Wärmebrücken. Zu den weiteren Randbedingungen, die holzzerstörende Pilze zum Gedeihen brauchen, gehören die Temperatur, die Art und das Alter des Holzes, die Belüftung sowie der Zeitfaktor. »Bislang gibt es dazu in der Fachliteratur widersprüchliche bzw. nicht eindeutige Aussagen. Und auch die DIN 68800 berücksichtigt weitere Wachstumsvoraussetzungen neben der Feuchtigkeit nur ungenügend«, so der Biologe. »Wir wollen herausfinden, unter welchen Mindestanforderungen holzzerstörende Pilze wachsen. Mit diesen Informationen können wir dann unter anderem die am Fraunhofer IBP entwickelte hygrothermische Simulationssoftware WUFI® weiter verbessern und so Planer bei Neubauten, aber auch bei der Sanierung oder Renovierung von Bestands- und historischen Gebäuden unterstützen«, erklärt Hofbauer, der hier eng mit seinen Kollegen aus der Abteilung Hygrothermik zusammenarbeitet.
Um diese Mindestanforderungen festlegen zu können, arbeiten die Wissenschaftler des Fraunhofer IBP an der Erweiterung des Verfahrens, das sie für die Feststellung des Resistenzverhaltens von Baustoffen gegen Schimmelpilze entwickelt haben. Durch die Bestimmung des sogenannten Isoplethenbereichs lassen sich für die am Fraunhofer IBP zunächst geprüften Hölzer – in Deutschland und den angrenzenden Ländern werden am häufigsten Fichte, Kiefer und Lärche verwendet – Aussagen treffen über deren Resistenzverhalten gegenüber holzzerstörenden Pilzen. Dazu haben Wolfgang Hofbauer und sein Team zunächst die unterschiedlichen Pilzarten in ausreichender Menge gezüchtet. Glücklicherweise können sie dabei auf eine einzigartige Datenbank von bauteilrelevanten Mikroorganismen zugreifen. Mit den Pilzsporen haben sie anschließend 5 mal 5 Zentimeter große Holzklötze beimpft und diese in den Isoplethenprüfstand ihres Labors eingesetzt. »Hier können wir die relevanten Randbedingungen variieren und so letztlich auch bestimmen unter welchen Minimalbedingungen sich die Pilze noch wohlfühlen«, schildert Hofbauer das weitere Vorgehen. »So können wir natürlich auch Aussagen darüber treffen, unter welchen Umständen ein Befall ausgeschlossen ist.«
Dies genau zu ermitteln, ist nicht so einfach. Anders als Schimmelpilze wachsen holzzerstörende Pilze zunächst nicht auf der Oberfläche. Somit ist es für die Forscher – ebenso wie für betroffene Hausbesitzer – erst ersichtlich, ob ein Befall besteht, wenn der Pilz sich zeigt und ein Großteil des Holzes bereits zerstört ist. Diese anfängliche »verdeckte Operation« können die Wissenschaftler mit speziellen Prüfverfahren dennoch enthüllen. So haben sie in den Isoplethenprüfstand CO 2-Sensoren integriert. Da die Pilze beim Abbau des Holzes »atmen«, also Sauerstoff verbrauchen, produzieren sie auch Kohlenstoffdioxid, der sich in der Luft nachweisen lässt. Ein weiteres Verfahren ist die Mikroskopie in Kombination mit Färbemethoden. Hier werden die Holzproben aufgeschlagen und ein hauchdünnes Scheibchen aus dem Inneren entnommen. Anschließend färben die Forscher das Holz ein, sodass sie unter dem Mikroskop – je nach Farbe bzw. Färbegrad – erkennen können, ob es sich um Holz oder Pilz handelt. Auch Methoden aus dem Bereich der Molekularbiologie finden für den Nachweis von Pilzwachstum Anwendung.
Derzeit stecken Wolfgang Hofbauer und seine Kollegen noch mitten in den Untersuchungen. Um konkrete Aussagen treffen zu können, ist es mit einer Versuchsreihe nicht getan. Die Biologen müssen eine Vielzahl von Probekörpern mit den Pilzen beimpfen und diese analysieren, um handfeste Ergebnisse zu bekommen. »Manchmal funktioniert es auch nicht so wie wir uns das vorstellen«, sagt Hofbauer. Vor allem in der Anfangsphase werden auf Basis heuristischer Methoden die erfolgversprechendsten Versuchsanordnungen aufwendig erarbeitet. Von den Ergebnissen der Grundlagenforschung profitieren alle Beteiligten, nicht zuletzt Planer und Betroffene.
ate

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