»Primordial Cities Initiative« im STATE Studio Berlin

In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP entwickelt der Experimentalphilosoph Jonathon Keats derzeit ein revolutionäres Stadtplanungsschema, das die Konsequenzen des Klimawandels städtebaulich neu denkt. Ab dem 12. Dezember präsentiert das STATE Studio Berlin mit der »Primordiale Cities Initiative« vorläufige Stadtentwürfe ultra-resilienter, von prähistorischen Stromatolithen inspirierter Architektur. Eine Ausstellung im Rahmen des Fraunhofer Residency-Programms ARTIST IN LAB. Mit Beratung vom Museum für Naturkunde Berlin.

Stromatolite Skyscraper
© Julia Brownlee_NOAA (city), Paul Harrison (microbialites), Jonathon Keats (illustration)
Stromatolite Skyscraper.
Versuchsaufbau
© Fraunhofer IBP
Versuchsaufbau.
Thermografieaufnahme
© Jonathon Keats
Thermografieaufnahme.

Groß angelegte Migrationsströme, verwaiste Küstenstädte: Bereits heute prognostizieren Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftler, wie Menschen versuchen werden, den Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs zu entgehen, indem sie von der Peripherie ins Landesinnere ziehen. Vor dem Hintergrund eben jener Szenarien entwickelt ein Team aus Ingenieuren unter Leitung des Experimentalphilosophen Jonathon Keats einen radikal neuen Ansatz für die Konzeption städtischer Infrastruktur, der auf den frühesten Lebensformen unserer Erde basiert.

Sogenannte »Stromatolithen-Städte« könnten nach Keats die langfristige Bewohnung gefährdeter Metropolen wie Shanghai und Manhattan sicherstellen und gleichzeitig einem der Hauptursachen für Treibhausgasemissionen im Baubereich entgegenwirken: dem weit verbreiteten Einsatz energieintensiver Klimaanlagen zur Minderung von Hitzestress.
»Stromatolithen sind die fossilen Überreste von mikrobiellen Gemeinschaften, die vor Milliarden von Jahren auf unserem Planeten gediehen sind«, so Keats. »Viele Arten von Organismen lebten symbiotisch zusammen. In gewisser Weise kann man sie als die ersten Städte betrachten.« Das Besondere an Stromatolithen: Sie wuchsen in Schichten und kombinierten organische Substanz mit Sediment. Die unteren Schichten ihrer Struktur wurden schrittweise »geopfert«, um Teil der Grundlage zu werden, währenddessen neue Ebenen der lebenden Materie hinzugefügt wurden.
In den konzeptionell an eben jene Wachstumsprozesse angelehnten Stadtentwürfen werden Wolkenkratzer in gleicher Weise errichtet. »Wir entwerfen neue Gebäudestrukturen, die einen kontinuierlichen Schichtaufbau ermöglichen«, erklärt Keats. Mit steigendem Meeresspiegel können neue Stockwerke errichtet werden, welche die Häuser kontinuierlich erhöhen. Die Bewohner ziehen in höhere Stockwerke und leben über den Gezeiten.

Im vergangenen Jahr wurden die Vorteile dieser städtebaulichen Strategie von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Deutschland, Keats Partner in der interdisziplinären »Primordial Cities Initiative«, untersucht und bestätigt. »Wir haben Computersimulationen durchgeführt, um die thermischen Auswirkungen von schweren Überschwemmungen in den Bezirken Shanghai, Manhattan und Hamburg zu analysieren«, erklärt Professor Gunnar Grün, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IBP. »In jedem Fall haben wir Klimamodelle angewandt, die den Anstieg des Meeresspiegels und saisonale Temperaturen in den Jahren 2100 und 2300 prognostizierten. Obwohl sich die drei Städte in vielerlei Hinsicht unterscheiden, wurden alle durch die thermische Trägheit und das verdunstende Kühlpotenzial des Wassers deutlich milder – und für den Menschen gastfreundlicher.«

Im Rahmen der Ausstellung im STATE Studio werden Keats innovative Gebäudeentwürfe zusammen mit den Ergebnissen der Experimente des Fraunhofer IBP und einem von Keats gemeinsam mit den Ingenieuren des Fraunhofer IBP entwickelten Energiemanagementplan vorgestellt. »Dieser Plan ist für die Ausstellung besonders zentral, denn er verspricht, Stromatolith-Städte klimaneutral zu gestalten, indem er den Bedarf an Klimatisierung reduziert und die Gezeitenenergie für andere Anforderungen nutzt«, kommentiert Dr. Christian Rauch, Direktor von STATE Studio und Berater des Projekts.

Die Primordial Cities Initiative, die bereits in Shanghai begeisterte Reaktionen von Stadtplanerinnen und Stadtplanern erhalten hat, wird nach dem STATE Studio Showcase weiterentwickelt und an weitere städtische Umgebungen angepasst. Im STATE Studio Berlin ist die Ausstellung von 12. Dezember 2019 bis 20. Dezember 2019 und von 7. Januar 2020 bis 29. Februar 2020 zu sehen.

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