Begleitforschungsauftrag Foshan New City

Nachhaltige Bauplanung

Die Bürotürme in Foshan
© Sino-German Industrial Service Platform
Die 148 m hohen Bürotürme der in Foshan geplanten »Sino-German Industrial Service Platform«.
Wang Yang mit Christoph Mitterer
© Bernd Mueller
Der chinesische Politiker Wang Yang mit Christoph Mitterer in der Münchner Zentrale.
Anmination des geplanten Gebäudes in Foshan
© Sino-German Industrial Service Platform
Anmination des geplanten Gebäudes in Foshan.

Foshan New City als Meilenstein

 

Die rasante Urbanisierung in China ist beispiellos in der Geschichte der Menschheit: Nach einer McKinsey-Prognose werden in den kommenden 15 Jahren unvorstellbare 350 Millionen Menschen in die chinesischen Städte ziehen. Ganze Stadtteile werden aus dem Boden gestampft und seit 2011 leben erstmals mehr als die Hälfte der Chinesen in Städten. Der Druck auf die Verantwortlichen ist enorm: Die Regierung muss möglichst schnell bezahlbaren Wohnraum für die vielen Menschen schaffen und zugleich jene Jobs, die den chinesischen Traum von einem besseren Leben, einem Auto oder einer Wohnung möglich machen.

Ein Wettbewerb um Auslands- und Industrieinvestment ist zwischen jenen Städten zu beobachten, die im Schatten der Megacitys wie Peking, Schanghai oder Guangzhou stehen und dennoch mehrere Millionen Einwohner zählen. Die chinesische Wirtschaft hängt am Tropf des Immobilienmarktes, somit sind Innovationen im Bausektor ein entscheidender Wachstumsfaktor.

Der heutige Vizepremier Wang Yang konnte sich bei seinem Besuch in der Zentralverwaltung der Fraunhofer-Gesellschaft als damaliger Sekretär des Parteikomitees der Provinz Gangdong selbst davon überzeugen, welchen entscheidenden Beitrag die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft zu einer innovationsorientierten Wirtschaft leisten. Christoph Mitterer vom Fraunhofer IBP veranschaulichte dies in seinem Vortrag am Beispiel von Pilotprojekten und Produktinnovationszyklen mit Beteiligung des Instituts. Dieser Besuch legte den Grundstein für ein Abkommen über die strategische  Zusammenarbeit zwischen der Provinzregierung von Guangdong und  Fraunhofer. Ziel dieser Kooperation ist die Förderung der Wirtschaft durch Innovation, wobei nachhaltiges Bauen als ein Schwerpunkt festgelegt wurde.

In der Folge erhielt das Fraunhofer IBP nach einer herausfordernden Akquisitionsphase von der chinesischen Stadtentwicklungsgesellschaft der »Foshan New City« einen Begleitforschungsauftrag über eine Million Euro. Zwei 185 m hohe Bürotürme für die »Sino-German Industrial Service  Platform« sollen unter strenger Einhaltung von Budgetvorgaben als Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen in der Stadt Foshan entwickelt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Abteilungen Hygrothermik und Raumklima begleiten das Projekt im Zeitraum von 2013 bis 2016 in allen Schritten vom Architekturwettbewerb über den Planungsprozess bis hin zur Inbetriebnahme und der Erfassung des künftigen Energieverbrauchs des Gebäudes. Sie validieren und verifizieren die Ergebnisse aus den einzelnen Planungsphasen. Sie evaluieren aber auch den gesamten Planungsprozess in Hinblick auf ergebnisorientiertes und integrales Planen.

Darüber hinaus ist es die Aufgabe des Fraunhofer-Teams, Referenzen in Bezug auf nachhaltiges Bauen zu erarbeiten. Das Gebäude soll so geplant werden, dass es nach dem chinesischen Bewertungssystem »Evaluation Standard for Green Buildings« zertifiziert werden kann. Dieses Bewertungssystem ist von den Ansätzen her vergleichbar mit dem in Deutschland bekannten System »Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen«. Daher verfolgen die Forscher auch das Ziel, beide Systeme im direkten Praxisvergleich gegenüber zu stellen und einzelne Kriterien des DGNB-Systems zu implementieren. Für die Umsetzung des Bauvorhabens wurde ein einziger chinesischer Generalübernehmer beauftragt, der Investment, Bauplanung, Beschaffung und Bauarbeiten komplett aus einer Hand abwickelt. Was sich auf dem ersten Blick als effizient darstellt, ist für die Fraunhofer-Forscher bei der kontinuierliche Bewertung und Validierung der Planungsergebnisse insofern eine besondere Herausforderung, als die Entscheidungsprozesse nicht besonders transparent sind und den sehr kostenbewussten Interessen des Generalübernehmers die  Innovationswünsche des Bauherrn gegenüber stehen. Es stellt sich heraus, dass es bei einer solchen Projektkonstellation besonders wichtig ist, die  Qualitätsanforderungen von vornherein im Detail zu definieren.

Nach der zweijährigen Bauphase, die Mitte 2014 anlaufen soll, wird innerhalb einer einjährigen Kontrollphase überprüft, ob die Qualitätsanforderungen erfüllt wurden. Dann wird auch ermittelt, ob Nachjustierungen an der Versorgungstechnik erforderlich sind, um den Gebäudebetrieb zu optimieren. Die im Rahmen der Begleitforschung durchgeführte Prozessdokumentation gewährleistet eine systematische Nachverfolgung und Optimierung des Planungsprozesses. Die ausgewerteten und am Ende des Projektes zu einem Leitfaden zusammengefassten Prozesse sollen dafür sorgen, dass die in diesem Vorhaben erzielten Erfahrungen in künftigen Projekten zum Tragen kommen können. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit Foshan New City macht Fraunhofer nicht nur Erfahrungen darin, wie Entscheidungsund Bauprozesse in China ablaufen, sondern auch, wie die Qualitätsprüfung  verbessert und bauliche Innovationen vorangetrieben werden können. Darüber hinaus eröffnen sich neue Möglichkeiten für weitere Projekte dieser Art, um zwischen beiden Ländern den kontinuierlichen Austausch in puncto nachhaltiges Bauen und Produktinnovation zu fördern.

 

Hintergrund: Die dramatische Luftverschmutzung in den Städten ist zum Teil auch durch die enorme Bautätigkeit sowie den Energieverbrauch für Heizen und Kühlen der Gebäude verursacht. Mindestanforderungen für den Energieverbrauch existieren in China ebenso wie ein Bewertungssystem für nachhaltige Gebäude. Dennoch, obgleich viele Gebäude in China als »Green Building« bezeichnet werden, lassen sie oft nachhaltige Qualität vermissen. Gründe dafür gibt es viele. Anforderungen aus den Bewertungssystemen werden oft unüberlegt umgesetzt und neue Lösungen gewählt, ohne deren Wirkung im gesamten Gebäudesystem ausreichend zu überprüfen. Die übliche Planungspraxis und vorgeschriebenen Genehmigungsprozesse begünstigen Standardausführungen und erschweren Innovationen. Unrealistische Zeitpläne und unzureichende Planungsprozesse führen zu Qualitätseinbußen in der Ausführung.