Laute Fahrzeuge und leise Reifen

Motorrad auf dem Fahrzeugprüfstand
© Fraunhofer IBP
Motorrad auf dem Fahrzeugprüfstand des Fraunhofer IBP.

Ziel der Landesregierung von Baden-Württemberg ist es, die Lärmbelastung durch Straßenverkehr auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Neben anderen Schritten auf Landes- und Bundesebene gilt dem Motorradlärm und dem Potenzial leiser Reifen besondere Beachtung.

Für Motorradlärm ist aktuell nur eine geringe gesicherte Datengrundlage zu fahrzeug- und fahrzustandsspezifischen Lärmemissionen verfügbar. Dies stellt ein Hemmnis für eine sachliche öffentliche Diskussion und die gezielte rechtliche Einflussnahme dar, mit der eine spürbare Reduzierung der Lärmbelastung im Straßenverkehr erzielt werden kann.

Durch verschärfte Grenzwerte und zunehmende E-Mobilität rücken externe Abrollgeräusche von Reifen zunehmend in den Fokus für weitere Lärmreduzierung. Die Kennzeichnung des externen Abrollgeräusches erfolgt über Reifen-Labels, die es dem Verbraucher ermöglichen sollen leise Reifen zu erkennen und gezielt auszuwählen. Allerdings ist unklar, wie verständlich und entscheidungsrelevant diese Kennzeichnung aktuell wirklich ist. 

Projektziele und Arbeiten am Fraunhofer IBP

Laute Motorräder

Gerade bei Motorrädern sind die Lärmemission stark vom Fahrverhalten abhängig. Diese können im Alltag deutlich von genormten Fahrzyklen für zulassungsrelevante, akustische Vorbeifahrtmessungen abweichen. Dies ist mit Grund für Konflikte in der Diskussion betroffener Kreise. Wie groß diese Unterschiede zwischen Normzyklen und Straßenbetrieb ausfallen, ist weder hinreichend bekannt noch in Studien untersucht und dokumentiert. Hier besteht Bedarf, die Datenbasis auf neutraler Ebene zu erweitern. Dazu werden auf dem Fahrzeugprüfstand des Fraunhofer IBP systematische akustische Untersuchungen an repräsentativen Motorrädern durchgeführt.

 

Leise Reifen

Mit zunehmender Reduzierung der Geräusche aus dem Antriebsstrang von Fahrzeugen und der kommenden weiteren Verschärfung der Lärmgrenzwerte für Fahrzeuge ist der Druck auf Reifenhersteller leise Reifen mit reduzierten externen Abrollgeräuschen anzubieten in den letzten Jahren stetig gestiegen. Am Markt sind demzufolge vermehrt auch leise Reifen verfügbar. Die Kennzeichnung der externen Abrollgeräusche erfolgt über Reifen-Labels, die es dem Verbraucher ermöglichen sollen, leise Reifen zu erkennen und gezielt auswählen zu können. Allerdings scheint den Verbrauchern aktuell noch der Überblick an verfügbaren Produkten und den Zusammenhängen zwischen lärmmindernden Eigenschaften und den übrigen Reifenparametern zu fehlen. Am Fraunhofer IBP wird daher eine aktuelle Marktübersicht zu leisen Reifen und Reifen-Labeln erarbeitet sowie der Einfluss wesentlicher Parameter auf die akustische Wirkung leiser Reifen verständlich aufbereitet. Außerdem wird in Befragungen ein aktuelles Bild zur Akzeptanz und Verständlichkeit von Reifen-Labels unter Fachleuten und der breiten Öffentlichkeit erhoben.

Aus den Ergebnissen der Marktsituation und Resonanz der Markteilnehmer werden Konzepte für kommunikative Impulse und verstärkte Sensibilisierung in Bezug auf Lärmschutz bei der Reifenauswahl abgeleitet.

Projektergebnis

Laute Motorräder

Auf dem Fahrzeugprüfstand des Fraunhofer IBP wurden systematische akustische Untersuchungen an sieben repräsentativen Motorradklassen sowie einem E-Motorrad durchgeführt. Zusätzlich wurden zwei der acht Fahrzeuge mit einer zuschaltbaren Klappenauspuffanlage untersucht. Die Verwendung des Fahrzeugprüfstands ermöglicht erstmals die Bestimmung der Schallpegel bei vergleichbaren und reproduzierbaren Fahrzuständen für das gewählte Ensemble und ließe sich um weitere Fahrzeuge beliebig erweitern.

Für die gewählten Fahrzeuge wurden Standgeräuschmessungen bei halber Drehzahl, wie sie auch die Polizei bei Kontrollen anwendet, durchgeführt. Die so ermittelten Werte auf dem Prüfstand decken sich im Wesentlichen mit den Angaben in den Zulassungspapieren. Da für Standgeräusche aktuell keine gesetzlichen Obergrenzen existieren, sind hier oft hohe Werte zu finden, die aber nicht einsetzbar sind für mögliche Fahrbeschränkungen. Auch zeigen die Messungen über den gesamten Drehzahlbereich noch deutlich lautere Geräusche. Mit weiteren Untersuchungen bei »moderaten« Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit und »extremen« bei Volllast-Beschleunigung in allen Gängen konnte eine breite Datenbasis tatsächlich vorhandener Pegel und deren teils erheblichen Unterschiede ermittelt werden.

Der Vergleich zwischen Abgasanlagen mit Klappensystemen zeigte, dass mit ein und demselben Fahrzeug der »Sound«, aber auch der Pegel deutlich beeinflussbar sind. Probleme entstehen bei Fahrzeugen mit selbstregelnder Abgasklappe, wenn diese bei einer Geschwindigkeit von z.B. 40 km/h lauter sind als bei 50 km/h und damit zunehmend städtische, auch mit Lärmminderung verbundene Tempolimits konterkarieren.

Weiterhin bestimmt die Gangwahl den Pegel zum Teil erheblich. Allein der Unterschied zwischen erstem und zweitem Gang bei voller Beschleunigung liegt für einzelne Fahrzeuge bei mehr als 5 dB(A). Noch höher fallen die Unterschiede bei »moderater« zu »extremer« Fahrweise mit 3 dB(A) bis zu 14 dB(A) aus. Diese Pegelunterschiede sind überwiegend vom Fahrer beeinflussbar. Hier liegt einiges Potenzial im Spannungsfeld zwischen Fahrspaß und dem akustischen Wohlfühlfaktor von betroffenen Anwohnern.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen schaffen damit die Datenbasis für eine sachliche Diskussion und die Grundlage für gezielte rechtliche Einflussnahme zur spürbaren Reduzierung der Lärmbelastung durch Motorräder im Straßenverkehr.

 

Leise Reifen

Die Markterhebung zu Reifen wurde anhand der frei verfügbaren Datenbank EPREL durchgeführt. In ihr registrieren die Hersteller ihre Reifen inklusive der auf dem Reifenlabel genannten Eigenschaften. Die Studie konnte auf insgesamt über 145.000 Einträge zurückgreifen und damit eine Verteilung der drei wesentlichen Kriterien Kraftstoffeffizienz, Nasshaftung und externe Rollgeräusch ermitteln. Für Sommerreifen konnten annähernd 6.000 Reifen ermittelt werden mit der besten Kategorie A im Reifengeräusch. Bei über 300 Reifen waren in allen drei genannten Kategorien die beste Einstufung A zu finden, wobei selbst günstige Modelle vertreten waren. Damit stehen umweltbewussten Verbrauchern leise Reifen zur Verfügung, ohne dass auf Effizienz und Haftung verzichtet werden müsste.

Die repräsentative Befragung von über 300 Fahrzeughaltern aller Altersgruppen und Geschlechter ergab indes, dass das Reifenlabel zwar bekannt, aber vor allem das Kriterium Reifengeräusch am wenigsten erkannt wird. Auch die Möglichkeit über den Barcode detaillierte Information aus der EPREL-Datenbank abzufragen war nicht bekannt. Eine Stichprobe beim Reifenhandel ergab weiterhin, dass das Thema Reifengeräusch in der Beratung praktisch keine Rolle spielt. Als  Handlungsempfehlung und Strategie im Kontext der Lärmminderung lässt sich daraus ableiten, dass die Wahlmöglichkeit für leise Reifen weiter propagiert werden muss. Denn der Entscheidungsbereich des Verbrauchers beschränkt sich auf die Wahl leiser Reifen, um aus seiner Sicht aktiv zum Umweltschutz bzw. zur Lärmminderung beizutragen. Mit Hilfe geeigneter Informationsformate, die diese Zusammenhänge aufzeigen und das Reifenlabel hinsichtlich des Reifengeräuschs transparent machen, kann das Bewusstsein für den Lärmschutz und die Motivation der Verbraucher zur Entscheidung für leise Reifen geweckt werden.

Sommerreifen mit leisestem Reifengeräusch Kategorie A
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Anzahl Sommerreifen mit leisestem Reifengeräusch Kategorie A gemäß EPREL Datenbank.
Verkehrsministeriums zu Gast bei der Abteilung Akustik
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Elke Zimmer, Staatsekretärin des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg zu Gast bei der Abteilung Akustik.
Logo Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg
© Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg
EU-Reifenlabel: Symbol für externes Abrollgeräusch
EU-Reifenlabel: Symbol für externes Abrollgeräusch. Links: alt und rechts: neu (seit 1. Mai 2021).