Fraunhofer IBP präsentiert Lösungen für mehr Nachhaltigkeit im Luftfahrtbereich

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Das beliebteste Verkehrsmittel zum Erreichen des Urlaubsziels nach dem Auto ist das Flugzeug. Auch bei Geschäftsreisenden stehen Flieger hoch im Kurs. Laut der Datenbank Statista betrug im vergangenen Jahr der globale Umsatz der aller weltweit operierenden Fluggesellschaften im Personenverkehr weltweit rund 556 Milliarden US-Dollar. Neben der Ökonomie und zunehmenden Komfortanforderungen in der Kabine rücken die ökologischen Aspekte noch stärker in den Fokus als bisher. Die deutsche Luftflotte verbraucht heute 42 Prozent weniger Treibstoff pro Passagierkilometer als noch 1990. Das liegt vor allem an moderner Technik, die Flugzeuge beispielsweise leichter und somit energieeffizienter macht. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP arbeiten gemeinsam mit zahlreichen weiteren Fraunhofer-Instituten sowie Industriepartnern intensiv in hochmodernen, einzigartigen Testanlagen und mit intelligenten Software-Tools daran, diese Trends mit Know-How weiter voran zu treiben. Aktuelle Entwicklungen für die Luftfahrtindustrie präsentieren die Wissenschaftler von 1. bis 4. Juni auf der ILA Berlin Airshow (Halle 4, Stand 202).

Abbildung der Thermal Test Bench.
© Fraunhofer IBP
Die Thermal Test Bench mit dem dazugehörigen AirCraft Calorimeter ist ein thermischer Prüfstand und erschließt den Wissenschaftlern am Fraunhofer IBP neue Forschungsmöglichkeiten für die Luftfahrtindustrie.

Testflüge am Boden

An seinem Standort in Valley bei Holzkirchen verfügt das Fraunhofer IBP über eine weltweit einmalige Testeinrichtung, die »Flight Test Facility« (FTF). In einer Niederdruckkammer befindet sich ein originales Flugzeugsegment eines A310 mit rund 15 Meter Länge und Platz für bis zu 80 Probanden. Neben Untersuchungen zum Kabinenklima wird auch das Flugzeug als Gesamtsystem erforscht. Dabei werden beispielsweise Cockpit, Passagierkabine, Avionik und Frachtraum unter energetischen Aspekten und Nutzungsanforderungen betrachtet.

Eine Vision, die die Luftfahrtindustrie vorantreibt und die die zukünftigen Flugzeugentwicklungen entscheidend beeinflusst, heißt »all-electric«. Dabei wird unter anderem der Einsatz von elektrisch angetriebenen Systemen, anstelle von z.B. hydraulischen oder mechanischen, zur Steuerung sämtlicher Funktionen realisiert. Parallel dazu wird die Verwendung leichter Materialien in der Entwicklung für neue Flugzeuge verfolgt. Ziel ist es, Gewicht und somit Treibstoff zu reduzieren. Um die Umsetzbarkeit und das damit verbundene Energiemanagement im Flugzeug zu entwickeln, zu validieren und schließlich zu demonstrieren, hat das Fraunhofer IBP seine Testlabore um eine weitere einzigartige Einrichtung erweitert. Die »Thermal Test Bench« (TTB), ein thermischer Prüfstand, eröffnet den Wissenschaftlern und ihren Partnern aus der Industrie zusätzliche Möglichkeiten in diesem Forschungsfeld. Der Prüfstand spielt eine wichtige Rolle bei der Simulation, Validierung und Prüfung neuer Systeme unter thermischen Gesichtspunkten. Hier ist ein originaler Flugzeugrumpf im Einsatz, der – in drei typische Bereiche des Flugzeugs (Cockpit, Kabine und Heck) aufgeteilt – verschiedenste thermische Messungen ermöglicht. Der Flugkörper kann ausgetauscht und beispielsweise durch eine Helikopterkabine ersetzt werden. Ergänzt wird der Prüfstand durch das »AirCraft Calorimeter« (ACC) zur Simulation extremster Bedingungen wie »Rapid Decompression« (rasanter Druckabfall in der Kabine) oder einem »Thermal Shock«(extrem schnelle Temperaturveränderungen, wie sie beispielsweise durch die Beschädigung der Kabinenstruktur im Flug auftreten könnten). Die TTB bietet enorme Vorteile: durch sie reduziert sich die Anzahl notwendiger Testflüge, sodass auf diese Weise nicht nur Kosten gespart, sondern auch die Umwelt geschont wird.

Um bereits im Frühstadium neuer Technologieentwicklungen im Flugzeug validierte thermische Simulationen durchführen zu können, haben Wissenschaftler am Fraunhofer IBP die Fraunhofer Thermal Validation Tool Chain entwickelt. Damit werden auf zeit- und kosteneffiziente Weise thermische Details und instationäre Gegebenheiten simuliert und validiert. Eine schnelle Gegenüberstellung und Bewertung verschiedener Technologien und Architekturen am Flugzeug sowie eine Co-Validierung mit einer realistischen Testumgebung sind ein wesentlicher Vorteil dieser skalierbaren Methode.

Das Fraunhofer IBP zeigt auf dem Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Gesellschaft in Halle 4 detaillierte Animationen und Präsentationen zum Aufbau der Forschungseinrichtungen und den Testmöglichkeiten.

Ökologisch gerechtes Design mit ENDAMI

In einer zunehmend globalisierten Gesellschaft ist Fliegen nicht nur eine Frage von Luxus, sondern auch eines immer größer werdenden Wettbewerbs in der Luftfahrt. Umso wichtiger ist es, der Ökolonomie, das heißt der Ökologie sowie der Ökonomie, bei der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Ebenfalls unter diesen »ökolonomischen« Aspekt fällt die Anwendung des Ökobilanzierungstools ENDAMI. Sind Ökobilanzen in den meisten Industriezweigen bereits Gang und Gäbe, hat die Luftfahrtindustrie hier noch Nachholbedarf. »Life Cycle Assessment« (LCA) nennen Experten das systematische Erfassen der Umweltlasten von Produkten. Die Analyse umfasst sämtliche Umweltwirkungen, die ein Produkt während seines kompletten Lebenszyklus erzeugt hat – von der Herstellung über die Nutzung bis zum Recycling oder zur Entsorgung. Um die Daten zu erheben, sind leistungsstarke Softwareprogramme notwendig. Diese sind sehr komplex und werden aktuell überwiegend von Fachleuten bedient, die über spezielles LCA-Wissen verfügen. Um Planern und Designern einen leichteren und vor allem zeitigeren Zugang zu den Ökobilanzergebnissen ihrer Flugzeuge zu geben, hat das Fraunhofer IBP gemeinsam mit seinen Projektpartnern im Rahmen der europäischen Forschungsinitiative »Clean Sky« das eco DESIGN®-Tool ENDAMI entwickelt. Die IBP-Wissenschaftler haben ENDAMI inzwischen konsequent ausgebaut und seine Bedienbarkeit erleichtert, sodass Flugzeugbauer bereits im Designprozess auf einfache Art und Weise mehrere Designvarianten ihrer Flieger durchspielen und dabei immer die Ökobilanz im Auge behalten können. Die Arbeiten werden im Rahmen der Weiterführung der Forschungsinitiative »Clean Sky 2« über alle Technologie- und Demonstrator-plattformen fortgesetzt. Dabei steht die Analyse und Bewertung von Schlüsseltechnologien und Leichtbaumaterialien sowie ihre Integration in das Gesamtsystem Flugzeug unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten im Mittelpunkt.

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