Kulturerbe in Zeiten der Klimakrise

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Das Klima der Erde wird heißer und extremer – Wissenschaftler sprechen nicht mehr vom Klimawandel, sondern von der Klimakrise. Es ist höchste Zeit zu handeln. Gerade findet in Glasgow die Weltklimakonferenz COP26 statt. Essentielle klimapolitische Entscheidungen stehen an: Anpassung an den Klimawandel, die Klimafinanzierung sowie zukünftige klimabedingte Schäden. Unser Kulturerbe ist akut von der Klimakrise bedroht und es kommt jetzt schon zu unersetzlichen Verlusten. Doch wie genau sieht die Zukunft aus? Welche Extremklimaereignisse kommen auf das Kulturerbe in Deutschland zu? Und wie kann es vor schädigenden Klimaauswirkungen geschützt werden? Dies untersuchen Fraunhofer Forscherinnen und Forscher im BMBF-Projekt KERES. Erstmals wird dazu nicht nur mit einem einzelnen Klimamodell gearbeitet, sondern mit einem Ensemble von zehn regionalen Klimamodellen: Dies ermöglicht zuverlässige Vorhersagen, welche Extremwetterereignisse die historischen Gebäude und Gärten wie stark bedrohen.

© Freilandmuseum Bad Windsheim
Vom Aisch-Hochwasser im Juli 2021 betroffene historische Gebäude.
Badhaus in Bad Windsheim
© Fraunhofer IBP / Simon Schmidt
Das historische Badhaus im Freilandmuseum Bad Windsheim.
Aufbau im historischen Badhaus
© Fraunhofer IBP / Simon Schmidt
Das FastDry System im Einsatz im historischen Badhaus.

Starkregen, Dürre, Hitzeperioden – der Klimawandel setzt historischen Gebäuden und Gärten schon heute stark zu. Im Projekt KERES untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP, für Silicatforschung ISC, für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und für Internationales Manage- ment und Wissensökonomie IMW gemeinsam mit dem Climate Service Center Germany des Helmholtz-Zentrum Hereon und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, wie sich das Klima auf das regionale Kulturerbe auswirkt.

»Während sich die meisten Forscherteams mit dem Status quo beschäftigten, arbeiten wir mit Klimamodellen und wagen als erstes Expertenteam den Blick in die Zukunft«, sagt Johanna Leissner, Koordinatorin der Forschungsallianz Kulturerbe bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Für diese Vorhersagen nutzt das Team nicht nur ein einzelnes Klimamodell, sondern ein Ensemble von zehn regionalen Klimamodellen. Auf diese Weise lassen sich die Gefahren, die dem Kulturerbe durch den Klimawandel bevorstehen, deutlich besser herausarbeiten und vorhersagen. »Wir betreten damit absolutes Neuland. Bisher gab es in Deutschland noch kein Projekt, dass sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und den zukünftigen Extremklimaereignissen auf das gebaute Kulturerbe sowie auf historische Gärten und Kulturlandschaften beschäftigt hat«, erklärt Leissner die Bedeutung des Projekts.

Fünf Extremklimaereignisse, fünf regionale Fallbeispiele

Fünf Extremklimaereignisse stehen im Fokus: Stark anhaltende Regenfälle, langanhaltende Hitzeperioden, langanhaltende Trockenperioden, der Anstieg des Meeresspiegels sowie orkanartige Sturmereignisse. Was kommt in den nächsten 50 bis 100 Jahren an Klimaveränderungen – mit dem Fokus auf Extremklimaereignisse – auf Deutschland zu? Wo trifft der graduelle Anstieg der Erwärmung die Kulturgüter in Deutschland am stärksten? Und welche Maßnahmen können durchgeführt werden, um das Kulturerbe so nachhaltig wie möglich zu erhalten? Diesen Fragen geht das Forscherteam in fünf Fallbeispielen nach. Diese reichen von der Speicherstadt in Hamburg über den Park Sanssouci und das Schloss Charlottenhof in Potsdam mit einer Innenausstattung von Karl Friedrich Schinkel über den Kölner Dom und das Freilandmuseum Bad Windsheim mit über 130 Fachwerkhäusern bis hin zu einer kleinen Wallfahrtskapelle im Voralpenland. »Die Fallstudien helfen uns dabei besser zu verstehen, was der Klimawandel konkret für unterschiedliche Gebäude in verschiedenen Klimazonen bedeuten wird und wie deren spezifische Vulnerabilität ist«, erklärt Ralf Kilian, Leiter der Kulturerbeforschung am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Dabei gehören nicht nur Fragestellungen wie Fassadenschäden und verstärkte Schimmelbildung an Fachwerkhäusern zum Programm, sondern auch Herausforderungen, die sich im Bereich historischer Gärten stellen – etwa wie sich die Feuchtigkeit besser im Boden halten lässt. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Entwicklung von Maßnahmen, wie Kulturerbe an den Klimawandel angepasst und aufgetretene Schäden behoben werden können. So standen nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 auch zahlreiche Gebäude des Freilandmuseums in Bad Windsheim unter Wasser. Das Forscherteam installierte »FastDry-Technologies ™« in den betroffenen Fachwerkhäusern und untersuchte den Trocknungsprozess. Diese neuartigen Trocknungsmodule – entwickelt am Fraunhofer IBP – brauchen etwa 80 Prozent weniger Energie als herkömmliche Trocknungsgeräte und können eine große Hilfe sein, um Gebäude effizient von Feuchtigkeit zu befreien.

Erster Klimaworkshop in Deutschland

Am 28. Oktober 2021 fand – pünktlich zum Auftakt und als wichtiger Beitrag zur UNWeltklimakonferenz COP 26 – der erste Klimaworkshop für die Kulturerbegemeinde in Deutschland statt, organisiert vom Hamburger Climate Service Center mit dem KERES Projektteam. Über 75 Teilnehmer aus ganz Deutschland nahmen daran teil. Hier wurde unter anderem erörtert, was ein Klimamodell leisten kann und welche Klimaparameter sich aus einem Klimamodell ableiten lassen. »Auch wurde diskutiert, welche Daten die Kulturerbegemeinde von uns braucht und wie sie das in ihre Planungen mit aufnehmen können«, erläutert Leissner.

Ontologische Datenplattform

Im Projekt KERES entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IOSB zudem eine ontologische Datenplattform: In dieser werden Best-Practice-Beispiele und vergangene und modellierte Klimadaten ebenso gesammelt wie die Kontaktdaten von Experten zu verschiedenen Fragestellungen. Auch ist die Plattform als Frühwarnsystem für Kulturgüter im Klimawandel nutzbar. »Eine solche Plattform ist europaweit einmalig«, schwärmt Leissner. Wie wichtig so eine zentrale Anlaufstelle ist, zeigte sich bei der jüngsten Flutkatastrophe im Juli, wo genau diese Daten nicht verfügbar waren. »Gerade vor dem Hintergrund der Koalitionsverhandlungen muss das Thema Klimaschutz für Kulturgüter bei Extremklimaereignissen auf höchster politischer Ebene behandelt werden«, bekräftigt Leissner, die zudem auch die Vorsitzende der EUArbeitsgruppe »Klimawandel und Kulturerbe« ist. Diese Arbeitsgruppe erhielt kürzlich das Mandat des Rats der Europäischen Union, Empfehlungen zu erarbeiten: Wie lässt sich die Resilienz der Kulturgüter in Zeiten des Klimawandels bewerkstelligen? Auch hierzu leistet das KERES Projekt mit dem Klimaworkshop einen substantiellen Beitrag aus dem EU Mitgliedsstaat Deutschland.

 

Projektkonsortium

  • Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC
  • Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
  • Fraunhofer-Zentrum für internationales Management und Wissensökonomie IMW 
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
  • Fraunhofer EU-Büro Brüssel
  • Climate Service Center Germany des Helmholtz-Zentrums
  • GeesthachtStiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Projektkoordinatorin

Dr. Johanna Leissner
Fraunhofer EU Büro Brüssel
Rue Royale 94, B-1000 Bruxelles
Tel. +32 2 506 42 43
Email: johanna.leissner@zv.fraunhofer.de

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