Eine Frage der Effizienz

Forschung im Fokus Dezember 2012

Was ist, wenn der Strom wegbleibt? Kein Licht, keine Heizung, kein Gerät im Haus funktioniert mehr! Ein Horrorszenario, das im Zusammenhang mit dem Atomausstieg und dem Wechsel zu erneuerbaren Energien öfters durch die Medien geistert. Energiewende ja, aber wie soll das konkret funktionieren? Diese Frage stellt sich so mancher, der diese öffentliche Diskussion verfolgt. Ansätze und Antworten gibt es viele. Das globale Ziel ist, – darin ist man sich überwiegend einig – eine grundsätzliche Steigerung der Energieeffizienz zu erreichen. So kann die Energiewende letztlich nur durch eine effiziente Gewinnung und Nutzung von Energie aus regenerativen Quellen erfolgreich sein.

Der effizientere Umgang mit Energie ist auch Dreh- und Angelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der ehemaligen Abteilung »Energiesysteme« des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP. Elementare Fragen, die sich die Wissenschaftler der Gruppe »Niedrigexergiesysteme« rund um Dr. Christina Sager-Klauß stellten, lauten beispielsweise: Wie lassen sich die verschiedenen Sektoren der Wärme- und Stromnutzung in Gebäuden sinnvoll verknüpfen? Welche Rolle spielen Gebäude künftig im Stromnetz, um eine verlässliche Netzstabilität zu gewährleisten?

»Fragen der Versorgungseffizienz lassen sich in größeren Systemzusammenhängen auch besonders effizient lösen. Deswegen betrachten wir bei unserer Forschungsarbeit meist nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern beziehen die umliegenden Häuser bis hin zum gesamten Ort bzw. der ganzen Stadt ebenfalls mit ein«, schildert Sager-Klauß. In der Diskussion um die Energiewende, so die Ingenieurin, werde eine Energieversorgung angestrebt, die weggehe von den zentralen und konventionellen Lösungen. Das heißt aber vor allem auch: weg von fossilen Brennstoffen, hin zu einer dezentralen und auf regenerativen Energien basierenden Energieversorgung. »Wir stellen uns in diesem Zusammenhang die Frage, wie die Ziele der Energiewende umgesetzt werden können und wie in Städten nachhaltiger gelebt werden kann«, führt Sager-Klauß ihre Herangehensweise bei der Forschung und Entwicklung aus. Aus diesen Fragen heraus generieren sich zahlreiche spannende Projekte, so zum Beispiel das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderte Verbundvorhaben »Netzreaktive Gebäude«, dessen Start das Fraunhofer IBP gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sowie dem E.ON Research Center vor wenigen Monaten verkündet hat. »Ziel dieses Vorhabens, das über vier Jahre laufen wird, ist eine ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden als Teil des Energiesystems«, erläutert Sager-Klauß. Während des Projekts wollen sie und ihr Team der Frage auf den Grund gehen, wie sich Gebäude bzw. große Gebäudegruppen in einem zukünftigen intelligenten Stromnetz verhalten und wie sie so zur Netzstabilität beitragen können.

Der Gebäudesektor ist für rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Daher sind eine Bedarfsoptimierung sowie eine Steigerung der Effizienz der Gebäude und der Versorgungsnetze dringend erforderlich. Eine Möglichkeit besteht derzeit in der Einspeisung nicht regelbarer und fluktuierender erneuerbarer Energien. Gleichzeitig ist das aber auch eine Herausforderung: Die erhöhte Fluktuation von Angebotsüberschuss und Versorgungsengpässen aus Wind- und Solarenergie im Strombereich stößt in kommunalen Netzen schon jetzt an ihre Grenzen. Passt man die Netze den sich verändernden Gegebenheiten nicht an, wird es immer wieder zu Problemen bei der Versorgung kommen. »Diese Engpässe können jedoch behoben werden«, so Sager-Klauß, »zum einen durch die Verwendung von Speichern und zum anderen durch sogenannte Lastverschiebungsmaßnahmen«. Allerdings ist die Speicherung von elektrischer Energie, die beispielsweise mit Hilfe von Photovoltaik- oder Windkraftanlagen gewonnen wird, nur in beschränktem Maße möglich sowie mit hohem Aufwand und streckenweise technischen Problemen verbunden. »Deshalb muss nach Alternativen Ausschau gehalten werden«, erläutert die Fraunhofer-Expertin die Problematik. Im Gebäudebereich eignen sich insbesondere Heizungspuffer-, Warmwasserspeicher wie auch die Gebäudekonstruktion (Decken und Wände), um Überschüsse aus erneuerbaren Energien relativ zeitflexibel zu nutzen. Und diese haben einen großen Vorteil: »Sie stehen im Gebäudebestand heute schon im großen Maßstab zur Verfügung und können kostengünstig erschlossen werden«, so die Wissenschaftlerin. »Mit Hilfe von Wärmepumpen ist es möglich, den Überschussstrom auch zu einem späteren Zeitpunkt gezielt zu nutzen und mit hoher Effizienz Umweltenergie zu gewinnen. Zur Regelung können intelligenten Stromnetze, so genannte Smart-Grids, herangezogen werden.«
Im konkreten Fall des Projekts »Netzreaktive Gebäude« standen deshalb – wie der Name bereits verrät – die Gebäude als Teil des Energiesystems im Vordergrund. Zur Klärung der Frage, wie Gebäude bzw. große Gebäudegruppen sich in einem zukünftigen intelligenten Stromnetz verhalten und wie sie so zur Netzstabilität beitragen können, mussten zunächst die wissenschaftlichen Grundvoraussetzungen geschaffen werden. Dafür haben die Fraunhofer-Forscher die Wechselwirkungen zwischen Gebäude und Versorgungstechnik charakterisiert, in dem sie energetische Analysen von Gebäudekonzepten auf Basis langjähriger Messkampagnen durchführten. »Im Anschluss entwickelten die Wissenschaftler daraus eine ganzheitliche Bewertungsmethodik für Gebäude als Teil des Energiesystems«, erklärt Anna Kallert, die als Doktorandin an dem Projekt arbeitet. »Inhaltlich wollen wir Energiekonzepte für Gebäude unter energetischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten analysieren und besser bewerten können.« Einbezogen werden fünf Bewertungsebenen: die einzelnen Systemkomponenten, das sie umfassende Energieversorgungssystem, das betreffende Gebäude, das durch mehrere Häuser entstandene Quartier sowie letztlich die gesamte Stadt. Zur quantitativen Bewertung verwenden die Wissenschaftler des Fraunhofer IBP das Exergiekonzept. Dieses erlaubt, Wärme und Strom in ihren exergetischen Qualitäten thermodynamisch korrekt zu beschreiben. Hierzu nutzen die Fraunhofer-Forscher dynamische Modellierungen, um sie so auf Quartiers- wie Stadtebene energiewirtschaftlich zu integrieren und zu bewerten.
Am Ende steht das von drei Projektpartner gemeinsam erarbeitete Gesamtsimulationsmodell für ein Stadtquartier sowie eine konsistente dynamische exergetische Bewertungsmethodik für Kommunen erarbeiten. So erhielten Planer und Entscheidungsträger für die Zukunft ein wichtiges Werkzeug an die Hand: »Nachdem wir nicht genau wissen, wie sich das Energiesystem in Zukunft entwickeln wird, sind derartige Gesamtsimulationsmodelle wichtig. Mit ihnen können schon im Vorfeld unterschiedliche Technologieszenarien und Lösungsansätze geprüft werden«, erklärt Sager-Klauß die Nutzungsperspektive des Projekts.
(ate/taf)
 

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